Mobbingforschung
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Aus Sicht der Eltern

1. Handlungspflichten der Eltern
2. Der Erziehungsauftrag
3. Wie sollte reagiert werden, wenn man Kenntnis über einen Mobbingfall erhält?
4. Ansprechpartner für die Eltern
5. Was können Eltern von der Schule erwarten?
6. Erste Schritte der Eltern
7. Falsche oder unterbleibende Reaktionen der Schulbehörde
8. Was tun, wenn keine Änderung eintritt?

1. Handlungspflichten der Eltern
  Den Eltern obliegt nach den §§ 1626 ff. BGB die Personensorge für das Kind und nach § 1631 Abs. 3 BGB hat das Familiengericht die Eltern auf Antrag bei der Ausübung der Personensorge in geeigneten Fällen zu unterstützen. Hierbei hat gem. § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII das Jugendamt mitzuwirken. Nach § 1631a BGB haben die Eltern bei der Ausbildung ihres Kindes insbesondere auf dessen Eignung und Neigungen Rücksicht zu nehmen und im Zweifelsfalle den Rat eines Lehrers oder einen anderen geeigneten Person einzuholen. Nach § 1630 Abs. 2 BGB entscheidet in den Fällen, in denen die Personensorge einem Pfleger des Kindes obliegt, das Familiengericht, wenn sich Eltern und Pfleger in einer Personensorgeangelegenheit des Kindes nicht einigen können. Nach § 1 Abs. 3 SGB VIII hat die Jugendhilfe das Recht des Kindes auf Erziehung zu fördern, und zu diesem Zwecke soll es unter anderem Eltern und andere Erziehungsberechtigte bei der Erziehung beraten und unterstützen, die Kinder und Jugendlichen vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen und dazu beizutragen, positive Lebensbedingungen für junge Menschen zu erhalten oder zu schaffen. Nach § 1666 BGB hat das Familiengericht einzugreifen, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes durch mißbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge oder durch Vernachlässigung des Kindes usw. gefährdet ist. Es steht im übrigen den Eltern frei, außerhalb des Schulverwaltungsrechts die Interessen des Kindes in zivilrechtlicher und strafrechtlicher Hinsicht zu wahren, ebenso können sie die „Flucht in die Öffentlichkeit“ (Medien) antreten. Dabei ist stets darauf zu achten, das Kind nicht derart in das Licht der Öffentlichkeit zu rücken, dass der Schaden am Ende größer ist als der erstrebte Nutzen.
2. Der Erziehungsauftrag
  Die Erziehung obliegt Eltern und Schule gleichermaßen. Zum eigenständigen und dem Elternrecht gleichgestellten Erziehungsauftrag der Schule siehe Avenarius & Heckel (2000) 24.32. Eltern und Schule wirken bei der Erziehung des Kindes zusammen, zB durch Elternversammlungen, den Elternbeirat, den Schulelternbeirat, die Klassenelternsprecher, auch sind Beteiligungen an den Lehrerkonferenzen möglich. Vgl. zu alledem Avenarius & Heckel (2000) 8.213, 8.214 sowie 8.223. Bei der wechselseitigen Unterstützung von Eltern und Schule, also bei der gemeinsamen Mitwirkung an der Erfüllung des Erziehungsauftrages, sind die Elternabende von besonderer Bedeutung, weil bei ihnen wichtige Vorgänge aus dem Schulleben erörtert werden können, siehe Avenarius & Heckel (2000) 8.221 und 8.222.
3. Wie sollte reagiert werden, wenn man Kenntnis über einen Mobbingfall erhält?
  Erfahren die Eltern vom Mobbing, sind sie dazu aufgerufen, von sich aus etwas zu unternehmen, weil sie auf den Schulalltag keinen unmittelbaren Einfluss haben. Die Eltern sind gehalten, bei jedem einzelnen Mobbingfall aktiv zu werden, damit einer Verfestigung dieser Missstände möglichst früh entgegengewirkt werden kann. Richtig ist auch hier, die einzelnen Vorfälle zu dokumentieren (schriftliche Notizen).
4. Ansprechpartner für die Eltern
  Als erstes haben sich die Eltern an die Schule zu wenden, weil sich dort die Mobbingfälle abgespielt haben („Tatort Schule“), je nach der Schwere des Mobbingfalles kommt darüber hinaus eine Strafanzeige gegen ein strafmündiges Kind (ab 14 Jahren) sowie ein Vorgehen auf dem Zivilrechtswege (Schadensersatz) in Betracht. In zivilrechtlicher Hinsicht ist ein Kind ab dem 7. bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres in gewissen Grenzen für einen von ihm verursachten Schaden verantwortlich, nämlich dann, wenn das Kind die erforderliche Einsicht in die Verantwortlichkeit seines Tuns hatte, § 828 Abs. 2 Satz 1 BGB; aber aus Billigkeitsgründen und dann, wenn keine andere Ersatzmöglichkeit besteht, können auch Kinder unter 7 Jahren zivilrechtlich auf Schadensersatz beansprucht werden, dies namentlich dann, wenn die Vermögensverhältnisse des Kindes (nicht der Eltern!) wesentlich besser als diejenigen des geschädigten Kindes sind, § 829 BGB. Bei einem Fehlverhalten des Lehrpersonals oder der Schulleitung kommen auch zivilrechtliche Schadensersatzansprüche im Wege der sogenannten Amtshaftung gem. § 839 BGB in Verbindung mit Artikel 34 GG in Betracht, vgl. Punkt 8.
5. Was können Eltern von der Schule erwarten?
  Wenn schon gemobbt wird, ist es eigentlich bereits zu spät. Ob sich die Kinder nun wehren oder einfach nicht auf die Hänseleien eingehen, ist egal. Sie stecken in ihrer Opferrolle fest und kommen da nur schwer wieder raus. Selbstwerttraining oder Selbstverteidigung helfen nicht weiter. Und auch Eltern und Lehrer können kaum etwas ausrichten.
6. Erste Schritte der Eltern
  Die Schule hat grundsätzlich sofort und nur ausnahmsweise in Angelegenheiten von geringerer Bedeutung fallweise erst bei passender Gelegenheit einzuschreiten. Nur die schnell und im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Mobbing getroffenen Ordnungsmaßnahmen der Schule sind geeignet, allen Verfestigungen solcher Missstände entgegenzuwirken. Wenn das Gespräch mit dem Lehrer keinen Erfolg hat, müssen die Eltern sich an die Schulleitung wenden, und wenn sie auch dort erfolglos bleiben, etwa deswegen, weil die Sache bagatellisiert wird oder weil sich die Schulleitung bemüht, den Lehrer decken, ist die Schulaufsichtbehörde (Schulamt usw.) anzurufen. Dabei brauchen die Eltern keinen Dienstweg einzuhalten, sie können sich unmittelbar an die Behörde wenden. Um aber keine gespannte Situation entstehen zu lassen, ist es zweckmäßig, die Schulleitung von solchen Schritten vorher in angemessener Weise zu unterrichten und den eigenen Standpunkt sachlich zu begründen.
7. Falsche oder unterbleibende Reaktionen der Schulbehörde
  Wenn die Schulleitung unangemessen reagiert, zB keine oder nur ungeeignete Maßnahmen ergreift, gilt das unter » 3. und » 4. Gesagte. Es empfiehlt sich nunmehr ein verstärktes Engagement bei der Elternvertretung, ggf. in der Lehrerkonferenz oder beim Schulforum, Gegenvorstellungen können erhoben werden, ebenso Beschwerden bei der vorgesetzten Dienststelle (Inanspruchnahme der Schulaufsicht/ Dienstaufsicht, siehe Avenarius & Heckel (2000) 16.22), das sind also das Schulamt, die Bezirksregierung bis hin zum Ministerium. Zu beachten ist, dass in Bayern die Gymnasien, die Realschulen, die Fachoberschulen und die Berufsoberschulen dem Kultusministerium direkt unterstellt sind, Avenarius & Heckel (2000) 16.41 bei Fußnote 16, vgl. ferner 16.512 bei der Fußnote 37. In den Schreiben (Beschwerden, Gegenvorstellungen usw.) sollte ein eigener Vorschlag der Eltern gemacht werden, auf den die Schulleitung oder die Dienstaufsicht dann eingehen kann. Sie wird dann im allgemeinen einen Bescheid erlassen, der dann, wenn er negativ ist, als belastender Verwaltungsakt mit der Klage vor den Verwaltungsgerichten angegriffenen werden kann. Das gilt zB dann, wenn es die Behörde ablehnt, gegen einen oder gegen mehrere bestimmte Schüler bestimmte Ordnungsmaßnahmen zu ergreifen, ebenso gegen untätige oder ungeeignete Lehrer. Es bleibt den Eltern ferner das sogenannte Petitionsrecht, d.h. an den Landtag eine Eingabe zu machen. Solche Beschwerden können, wenn sie hinreichend begründet sind, sehr wirksam sein, weil die bei den Parlamenten gebildeten Ausschüsse für Eingaben und Beschwerden in solchen Fällen schriftliche Berichte regelmäßig der Schulleitung, des Ministeriums usw. anfordern. Ist allerdings ein laufender Rechtsstreit anhängig, wird der Petitionsausschuss nicht tätig. Er wird immer dem Ausgang des Rechtsstreits abwarten. Das Petitionsrecht ist ein den Eltern zustehendes öffentliches Recht, das aber einen streng formellen Charakter in dem Sinne hat, dass der Ausschuss sich auf die sachliche Prüfung der Angelegenheit und auf die Erteilung eines schriftlichen Bescheides zu beschränken hat. Er erlässt also keinen dem Antragsteller günstigen Bescheid, sondern überweist die Angelegenheit an das Ministerium oder die Schulaufsichtsbehörde ohne rechtliche Bindungswirkung zur Kenntnisnahme, als Material, zu Erwägung oder, im günstigsten Falle für die Eltern, „zur Berücksichtigung“. Das Ministerium oder die nachgeordneten Behörden sind an diese Entscheidung des Eingabeausschusses nicht gebunden. Es steht den Eltern ferner frei, die „Flucht in die Öffentlichkeit“ anzutreten oder Elterninitiativen ins Leben zu rufen.

In schwerwiegenden Fällen und als letzte Möglichkeit (abgesehen von einer Klage bei dem Verwaltungsgericht) können die Eltern der Schulleitung oder der Aufsichtsbehörde eine Strafanzeige in Aussicht stellen (etwa bei unterlassener Hilfeleistung, unter Umständen gar unter dem Gesichtspunkt der Mittäterschaft), ebenso können Sie auf die Möglichkeit einer Amtshaftungsklage gem. § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG in geeigneter Form (Gebot der Sachlichkeit!) hinweisen, etwa wegen des Ersatzes für Kosten, die dadurch entstehen, dass das Kind von der Schule genommen und fortan in einer Privatschule unterrichtet werden muss. Spätestens bei derart massiven Konfliktfällen ist die Einholung eines anwaltlichen Rates oder der Beistand eines Rechtsanwaltes geboten.
8. Was tun, wenn keine Änderung eintritt?
  Wenn positive Änderungen nicht eintreten, ist die Sache mit der Schulleitung und ggf. mit der Dienstaufsicht zu erörtern, wobei die Eltern ihrer Mitwirkungspflicht am besten dadurch nachkommen, dass sie eigene Vorschläge zur Behebung der Missstände unterbreiten. Wenn behauptet wird, dass das Kind an den Schikanen schuld sei, müssen sich die Eltern zunächst kritisch fragen, ob das, was ihnen von der Schule entgegen gehalten wird, möglicherweise richtig ist. Erst wenn sie sich ganz sicher sind, dass sie recht haben, sollte entsprechend » 7. verfahren werden. Wenn Beweise für das Mobbing verlangt werden, wird auf die Dokumentation (handschriftliche Notizen) zurückzugreifen sein. Es können dann Zeugen benannt werden, das können Mitschüler und deren Eltern sein; soweit vertretbar, ist das Kind bei diesen Gesprächen hinzuzuziehen, damit es selber sagen kann, was ihm widerfahren ist. Hierbei ist naturgemäß besondere Sorgfalt angebracht, um dem Kind nicht zu schaden. Als geeignetes Beweismittel kommen auch ärztliche Zeugnisse in Frage.