Mobbingforschung
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Häufige Fragen zu Mobbing

Wo endet die Rauferei – und fängt Mobbing an?
Kann Mobbing ein Kind in der Entwicklung nachhaltig gefährden?
Werden Jungen oder Mädchen gemobbt?
Welche Schüler mobben?
Wie kann man Kindern helfen, die von ihren Klassenkameraden gemobbt werden?
Hilft ein Schulwechsel den Mobbingopfern?
Kann Prävention etwas gegen Mobbing ausrichten?
Wodurch werden Kinder Mobbing-Opfer? Wegen ihres Aussehens, wegen ihres Wesens?
Haben systematische Attacken zugenommen – oder sind sie durch Begriffe wie „Mobbing“ und „Bullying“ nur stärker ins Bewusstsein gerückt?
Unterscheidet sich Mobbing unter Schülern von dem unter Erwachsenen?
Müssen Opfer fürchten, später automatisch wieder gemobbt zu werden?

Wo endet die Rauferei – und fängt Mobbing an?
  Bei einer Rauferei kämpfen zwei gleich Starke gegeneinander. Beim Mobbing ist einer von beiden physisch und psychisch stärker. Der Täter will an Status gewinnen, indem er einen anderen gezielt fertig macht und andere dafür benutzt. Es liegt eine Asymmetrie der Macht vor, die die ganze Klasse in eine Schieflage bringt. Für die anderen ist es ab einem bestimmten Punkt sogar gefährlich, etwas für das Opfer zu tun.
Kann Mobbing ein Kind in der Entwicklung nachhaltig gefährden?
  Ja. Viele Opfer leiden unter psychosomatischen Erkrankungen, Depressionen und geringem Selbstbewusstsein. Manche hegen sogar Selbstmordgedanken. Es gibt robuste Hinweise darauf, dass Mobbingopfer auch als Erwachsene in der Qualität ihrer Beziehungen beeinträchtigt sind.
Werden Jungen oder Mädchen gemobbt?
  Sowohl als auch. Bei den Tätern sind die Geschlechter ebenfalls gemischt. Wenn Jungen mobben, tun sie das häufig offenkundiger. Mädchen agieren eher hintenrum.
Welche Schüler mobben?
  Die, die erfahren haben, dass sie mit Aggression zum Ziel kommen – das wird schon in der Familie angelegt. Ein Mobbing-Täter versteht es auch, zu täuschen: Er oder sie verbirgt sich vor den Lehrern als Täter, lässt stattdessen andere blöd dastehen. Man dreht es so hin, dass der Lehrer erst hinguckt, wenn das Opfer zurück schlägt. Oder man sagt zu einem Dritten: Du bist mein bester Freund, wenn Du den haust. Dieses Verhalten verstärkt sich, wenn dieses Kind nie in seine Schranken gewiesen wurde, wenn andere für seine Taten bestraft werden, am Opfer gezweifelt wird. Und wenn nie jemand ganz nachdrücklich gesagt hat: „Was Du hier machst, das läuft einfach nicht.“
Solchen Ankündigungen muss dann aber seitens der Lehrer auch absolut konsequentes Handeln folgen – sonst verstärkt man genau das Verhalten, was man eigentlich verhindern möchte.
Wie kann man Kindern helfen, die von ihren Klassenkameraden gemobbt werden?
  Wenn schon gemobbt wird, ist es eigentlich bereits zu spät. Ob sich die Kinder nun wehren oder einfach nicht auf die Hänseleien eingehen, ist egal. Sie stecken in ihrer Opferrolle fest und kommen da nur schwer wieder raus. Selbstwerttraining oder Selbstverteidigung helfen nicht weiter. Und auch Eltern und Lehrer können kaum etwas ausrichten.
Hilft ein Schulwechsel den Mobbingopfern?
  In mindestens der Hälfte der Fälle erweist sich das nicht als Lösung. Die betroffenen Kinder und Jugendlichen leben mit stark erhöhtem Risiko, wieder zum Opfer zu werden, weil sie sich in einem extrem verletzlichen Zustand in einen neuen sozialen Kontext integrieren müssen. Das prädestiniert sie geradezu wieder zum Opfer.
Kann Prävention etwas gegen Mobbing ausrichten?
  Auf jeden Fall! Lehrer müssen in diese Richtung dringend geschult werden. Denn nur im Vorfeld, also wenn sich das Mobbing gerade erst anbahnt, kann man dagegen vorgehen. Ich bin selbst auch in der Lehrerausbildung tätig und habe festgestellt, dass ein hoher Bedarf besteht, die Dynamik von Mobbing zu verstehen, damit man dann mit den richtigen Mitteln dagegen vorgehen kann.
Wodurch werden Kinder Mobbing-Opfer? Wegen ihres Aussehens, wegen ihres Wesens?
  Nein, das Erscheinungsbild, physische Schwäche oder Introvertiertheit machen Kinder nicht zu Mobbing-Opfern. Es ist die Position, die das Kind im sozialen Gefüge der Klasse hat. So kann zum Beispiel ein physisch schwaches Kind wegen anderer Fähigkeiten in der Klasse hoch angesehen und ganz ungefährdet sein. Opfer werden dann ausgesucht, wenn sie manchmal nur temporär ein sozial schwache Position innehaben.
Haben systematische Attacken zugenommen – oder sind sie durch Begriffe wie „Mobbing“ und „Bullying“ nur stärker ins Bewusstsein gerückt?
  Es gibt jedenfalls keine empirischen Belege dafür, dass Mobbing zugenommen hätte. Systematische Attacken kamen schon davor regelmäßig vor. Forscher befürchten aber, dass sich der Verlauf von Mobbingfällen verändert. Wenn Mitschüler erleben, dass nichts gegen Mobbing unternommen wird, führt dass zu einer Desensibilisierung. Damit steigt die Gefahr steigt, dass sie schneller bereit sind, mitzumachen.
Unterscheidet sich Mobbing unter Schülern von dem unter Erwachsenen?
  Die Systematik ist ähnlich. Aber für Kinder ist das Dazugehören extrem wichtig – mehr als für Erwachsene. Denn das Kind ist mit seiner Schulpflicht ja an den Schulbesuch gebunden. Bei Mobbing ist es dort grottenallein – und das eine lange Zeit des Tages. Dabei haben Kinder ein Anrecht auf Schutz.
Müssen Opfer fürchten, später automatisch wieder gemobbt zu werden?
  Nein. Während Langzeitstudien zeigen, dass die „Täter“ aus der Grundschule ein zweifach erhöhtes Risiko haben, auch in der weiterführenden Schule Täter zu sein, gibt es eine solche „Rollenstabilität“ bei den Opfern nicht. Allerdings: Wenn ein Schüler doch in der Grund- und dann in der weiterführenden Schule gemobbt wird, trübt das mit hoher Wahrscheinlichkeit später seine Beziehungsqualität. Wie bei einem Mädchen, das jahrelang an seiner Schule in einem oberbayerischen Dorf gemobbt wurde. Später erzählte sie mir, dass sie – ob im Tanzkurs oder bei ihrem Nebenjob im Supermarkt – noch immer präsent sei: Diese diffuse Angst, einfach nicht dazuzugehören.