Das Konstrukt "Hochbegabung"
Entgegen der naiven, weit verbreiteten, doch letztlich falschen Meinung, Hochbegabung sei etwas Eindeutiges, das der einzelne quasi per Geburt wie Herz, Lunge oder Gehirn mit sich herumtrage, hat die wissenschaftliche Beschäftigung mit Hochbegabung erbracht, dass es sich um ein vielfältiges Phänomen handelt, welches keineswegs immer eindeutig zugänglich ist.
Leider findet sich auch in der Fachdiskussion immer die naive Vorstellung, Hochbegabung sei einfach da, man könne einfach so über sie diskutieren, ohne dass einsichtig gemacht wird, was Hochbegabung nun konkret sei bzw. wie sie genau zu erfassen ist. Aus wissenschaftlicher Sicht ist Hochbegabung ein weitgehend inhaltsleerer Begriff. Dies liegt darin begründet, dass Hochbegabung nicht dadurch definert ist, dass absolute Kriterien für Leistungsdispositionen verfügbar sind, sondern dass deutliche individuelle Abweichungen vom Altersdurchschnitt nach oben als Kriterien für das vermutete Vorliegen von Hochbgabung fungieren. Ob diese Abweichung dann ein, drei, fünf oder zehn Prozent der Vergleichsgruppe umfassen, ist eher Ausdruck gängiger methodischer Arbeitweisen oder Forschungsanliegen als Ausdruck der Verfügbarkeit eines eindeutig verbindlichen Bewertungsmaßstabes.
Diese Überlegungen sind stets im Auge zu behalten, wenn man sich auf die Suche nach Merkmalen für sogenannte Hochbegabung macht. Die folgenden Indikatoren sind daher als heuristische Ansatzpunkte und nicht als ausschließende Kriterien zu begreifen. Sie umfassen Verhaltensweisen, Leistungen und Bedürfnisse in verschiedenen Bereichen, die alle mehr oder weniger implizit als Ausdruck von Hochbegabung gelten, wobei auf den genannten Abweichungsaspekt nach oben Bezug genommen wird.